Ich bin nicht in vielen Bereichen des Lebens besonders leidenschaftlich (weswegen mich wahrscheinlich auch viele Menschen ziemlich langweilig finden), aber an einem Bereich hängt mein Herz mit all seiner Kraft, nicht immer mit der gleichen Intensität, aber doch stetig und zuverlässig: die Künste – Film, Literatur, Musik. Sie sind der Leuchtturm in meiner Welt, der mir den Weg weist, Licht spendet, eine Unterkunft bietet, über alle alltägliche Banalität hinausragt und sich zur letzten Wahrheit erhebt.
Und so kann ich mein Herz auch hoffnungslos an einen der Köpfe hinter der Kunst verlieren: einen Schriftsteller, Musiker, Schauspieler. Das ist dann eine ganz besondere Liebe, die üblicherweise ewig währt, die nichts mit dem Alltag und der Realität zu tun hat, sondern quasi in einer anderen, reineren, wahreren Welt stattfindet, die für mich neben der erlebten Realität existiert, nämlich tief in mir verankert. So habe ich eben ein Porträt meiner Lieblingsschriftstellerin neben meinem Bett hängen, damit diese Geborgenheit auch ein wenig in diese Welt reichen möge. Das hat nichts mit Groupie-Dasein oder Realitätsflucht zu tun. Schließlich sind diese artifiziellen Welten, die meine liebsten Künstler erschaffen, alles andere als gemütlich und utopisch. Vielmehr ist es für mich eine Welt, die tiefer blickt, die das Leben selbst am Nacken zu packen sucht, die Wahrheiten bereit hält, die im Alltag nicht zu erblicken sind, die ein reineres und klareres Bild des Lebens bietet, als würde es nackt und entblößt von all dem banalen Tand dastehen. Es ist für mich eine wahrere, greifbarere Welt, die den Blick auf diese Welt öffnet, reinigt, aber auch verdüstert.
Keine Ahnung, ob das verständlich ist oder absolut wahnhaft klingt. Aber besser kann ich es nicht erklären.
Jetzt bin ich ein bisschen vom geplanten Thema abgekommen, aber das macht nichts. Jedenfalls ist meine Liebe zu Künstlern ganz besonders und außerweltlich. Und oft ist es so, dass ich die Vergänglichkeit des Lebens am meisten zu spüren bekomme, wenn ich ihr Fortschreiten verfolge. Immer, wenn ein Star plötzlich stirbt, der vorher einen festen Platz in meiner Vorstellung von Realität hatte, bekomme ich ein wenig Angst. Nicht nur, weil es natürlich auch die Vergänglichkeit und Unberechenbarkeit des eigenen Lebens vor Augen führt. Es erinnert mich aber auch wieder daran, dass meinen Lieblingskünstlern dasselbe jederzeit geschehen kann. Und dann ist ihre Kunst vorbei, ganz plötzlich, von heute auf morgen (wobei ich empathische Person natürlich auch immer den Mensch selbst sehe und die Familie dahinter, die nun solche Schmerzen erleiden muss). Das ist nun wahrscheinlich wirklich ein bisschen verrückt, aber dieser Gedanke macht mir Angst.
Bei meinen liebsten Schriftstellern kann mir das nicht mehr passieren, die sind alle bereits lange tot – was ich aber auch unendlich traurig finde, kann ich ihre Entwicklung doch nicht mehr mitverfolgen, werde ich doch nie auf ein nächstes Werk warten können, wo doch Vorfreude so ein wunderschönes Gefühl ist. Vor allem auf kommende Werke eines Lieblingskünstlers kann ich mich eben tatsächlich wie ein kleines Kind freuen. Das ist eben wie so ein Leuchtturm in meinem Leben, der mir den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft weist. Meine Schriftsteller versagen mir das also schon. Musiker gibt es gerade zwei, bei denen ich sehnsüchtig warte (wobei mir schon mehr als diese zwei gefallen, aber bei den anderen ist es mir nicht so wichtig, da bin ich wesentlich entspannter): Tool und Tori Amos. Tori Amos schenkt uns ja glücklicherweise mit schöner Regelmäßigkeit etwa alle zwei Jahre ein neues Album mit Tour. Tools letztes und für mich eindeutig bestes Album ist allerdings schon fünf Jahre alt und wer weiß, wann da wieder was kommt. Maynard James Keenans (oh, dieser Sänger mit einer Stimme wie geschmolzene Schokolade, ein warmes Schaumbad, aber manchmal auch wie eine Motorsäge) viele Nebenprojekte können leider nur kaum darüber hinwegtrösten. Aber gut, Großes braucht eben seine Zeit. Ich werde warten, aber bitte stirb mir nicht weg!
Die Filmwelt ist in dieser Hinsicht noch ein größerer Spielplatz für mich. Zwar habe ich auch hier viele meiner Lieblingsregisseure und Schauspieler gar nicht mehr erlebt, aber es haben doch noch sehr viele lebende einen Platz in meinem Herzen. Leider enttäuschen gerade die Regisseure mich momentan reihenweise, was die Vorfreude auf den nächsten Film aber nicht ganz zerstören kann. Schauspieler können mich da momentan mehr beglücken, vor allem, weil sie mich auch überzeugen können, wenn der Film drumrum kein Meisterwerk ist. Aber, ach, wie schnell werden sie doch älter und bald schon können sie keine der richtig aufregenden Rollen mehr spielen. Denn, machen wir uns nichts vor, die besten Rollen im Film sind nun mal die zwischen 20 und 45. Danach reduziert sich das Rollenspektrum drastisch, auf Eltern, Geschäftsmänner/-frauen, Mentoren, Bösewichte und jenseits der 60 gibt es nur noch Nebenrollen oder langweilige Altmänner/-frauenfilme. Das soll nicht gemein klingen, aber leider ist es doch so. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber soll man darauf hoffen, dass der Lieblingsschauspieler die abbekommt?
Als ich vorgestern erfuhr, dass Kevin Spacey schon 52 ist, wurde mir ganz schwer ums Herz. Denn das heißt, dass es bald keine wirklich tollen Rollen mehr für ihn gibt (abgesehen von der Bühne). Das heißt, dass seine beste Zeit vorbei ist. Er hat ja auch schon Großes geleistet, aber wie schön wäre es, auch noch Großes erwarten zu können. Und wenn ich überlege, dass Joaquin Phoenix schon 37 wird und allein zwei Jahre mit diesem Mockumentary-Projekt “verschwendet” hat (obwohl es natürlich eine brillante Sache war), wo er nur noch wenige Jahre für DIE Rolle seines Lebens hat (ich warte nämlich immer noch auf das Meistwerk mit ihm in der Hauptrolle), werde ich ganz zappelig ungeduldig und hoffe inständig, dass die großen Regisseure ihm die Rollen nur so hinterherwerfen. Er hat es doch verdient! Und Michael Fassbender, dessen Karriere erst jetzt zum Höhenflug ansetzt, ist ja auch schon Mitte 30. Es geht mir viel zu schnell, dass ich sie verliere.
Und ehe man sich versieht, liegen sie alle unter der Erde. Und wem soll ich dann mein vereinsamtes Herz schenken?
Mannomann, ganz schön pathetisch ist der Artikel nun geworden. Aber wenn ich mal mit solchen herzensnahen Dingen beginne, dann gleite ich fast automatisch in diese Höhen. Dann steigere ich mich hinein und – zack – plötzlich steht hier ein komplettes Melodram. Nun ja, ein bisschen kindisch klingt das Ganze ja auch, als hätte ich kein eigenes Leben, keine realen Menschen, die mir etwas bedeuten. Aber das ist etwas anderes. Ich brauche das einfach in meinem Leben, diese andere Welt. Jeder hat eben seine Leidenschaften.